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Transatlantische Gesichter: US-Generalkonsulat Leipzig (April 2021)

Caroline Rosenthal

Image: Prof. Dr. Caroline Rosenthal

1. Was macht Sie zur Transatlantikerin? 

Seit 2009 habe ich den Lehrstuhl für Amerikanistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena inne und beschäftige mich mit nordamerikanischer Literatur und Kultur von ihren Anfängen bis heute. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf kulturwissenschaftlichen Fragestellungen wie etwa der Semiotisierung von Raum. Nationen laden bestimmte Räume – etwa den städtischen oder ländlichen Raum, den Westen oder den Norden – mit unterschiedlicher kultureller Bedeutung auf. Das lässt sich sehr gut im Vergleich der kanadischen Literatur und Kultur mit der US-amerikanischen zeigen. Die ersten europäischen Siedler im späteren Amerika, die Puritaner, brachten ein Sendungsbewusstsein und einen mythologisch-religiösen Anspruch mit sich, der zu  amerikanischen Gründungsmythen wie dem American Exceptionalism, dem Fortschreiten der westlichen Grenze, dem Manifest Destiny führten. Die ersten Europäer in Kanada waren Pelzhändler, die zunächst nicht vorhatten im Land zu bleiben, sich dann teils aber doch mit der indigenen Bevölkerung vermischten, so dass als dritte indigene Gruppe in Kanada neben den First Nations und den Inuit die Métis entstanden. Die US und Kanada kämpfen heute beide mit ihrem jeweiligen kolonialen Erbe und den verheerenden Spuren und gewaltsamen Strukturen, die es bis heute hinterlassen hat.

Ein weiterer transatlantischer Bezug meiner Arbeit liegt in der Romantik. Seit 2015 bin ich Gründungsmitglied des DFG geförderten Graduiertenkollegs „Modell Romantik.“ Wissenschaftler*innen unterschiedlichster Disziplinen – Soziologie, Theologie, Germanistik, Romanistik, Musikwissenschaft, Kunstgeschichte, Geschichte – forschen dort mit Doktorand*innen dazu, wie Wahrnehmungs-, Darstellungs- und Handlungsmuster der Romantik unsere Kultur bis heute prägen. Mich interessiert hierbei der transatlantische Austausch von Ideen – der amerikanische Transzendentalismus wäre undenkbar ohne die englische Romantik und den deutschen Idealismus – wie auch von materieller Kultur, denn die Romantik war auch die Epoche der Kolonialisierung, in der viele Objekte von der alten in die neue Welt gebracht wurden. Kolonialismus ist eben nicht nur ein transatlantischer historischer Moment, sondern eine Struktur, die Asymmetrien diesseits und jenseits des Atlantiks bis heute prägt.

2. Warum brauchen wir die transatlantische Partnerschaft?

Meine Mutter, Jahrgang 1939, geboren in Barmen, Wuppertal bekam ihre erste Orange von einem GI geschenkt und hat mir als Kind immer von der Blockschokolade und den Care Paketen der amerikanischen Alliierten erzählt. Beide meine Eltern haben mir darüber hinaus vermittelt, dass Deutschland ohne die amerikanische Hilfe nicht zu der Demokratie geworden wäre, die wir heute sind.

Die USA sind die älteste Demokratie der modernen Welt und haben andere westliche Demokratien nachhaltig geprägt. Angesichts der gigantischen Umwälzungen und Herausforderungen, vor denen die USA – wie andere westliche Demokratien – heute stehen, was beispielsweise Kolonialismus, Rassismus, Sexismus und Umweltzerstörung angeht, ist der transatlantische Dialog für mich wichtiger denn je. Amerika ist die Wiege bestimmter Werte, selbst wenn es selber diese zur Zeit manchmal aus dem Blick zu verlieren scheint. Werte die aus Europa kamen, dort weiter gedeihen und im Dialog entwickelt werden müssen. Es gibt für mich keine Alternative zum transatlantischen Dialog bzw. einer kritischen Auseinandersetzung zwischen Europa und den USA.

Das versuche ich meinen Studierenden zu vermitteln. Ich hatte 1997 das Glück mit einem Fulbright Stipendium 4 Wochen an der New York University an einem interkulturellen Programm teilzunehmen. Heute bemühe ich mich als Professorin immer wieder, in Form von Summer Schools solche Gelegenheiten für meine Studierenden zu schaffen. 2017 etwa sind wir mit 8 Masterstudent*innen und Doktorand*innen der Friedrich-Schiller-Universität Jena an das Walden Woods Institute in Concord gereist, um dort vor Ort Werk und Wirken Henry David Thoreaus zu erkunden.

3. Was wünschen Sie sich für die transatlantischen Beziehungen?

Einen offenen, kritischen, Dialog, der sich der langen gemeinsamen Tradition bewusst ist. Einen Dialog, der auch das schwierige koloniale Erbe adressiert, das sich durch die europäische Besiedlung des amerikanischen Kontinents angehäuft hat und das der konkreten Wiedergutmachung und der ethischen Versöhnung bedarf. Einen Dialog, der vormals ausgeschlossene, entrechtete und nicht gehörte Gruppen explizit einbezieht. Einen Dialog der respektvoll mit den dann eben doch unterschiedlichen Traditionen und Prägungen Europas und der USA umgeht. Und konkret: Gelder für Programme in den Humanities: Es gibt keine bessere Investition in die transatlantische Zukunft als junge Menschen die USA selbst erleben zu lassen.  

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